Dienstag, 27. Juli 2010

Das verpasste Konzert des Jahres


Les Compagnons, Buffet de la Gare, Gijounet (Département Tarn), 28. März.

Dienstag, 20. Juli 2010

Burgunder aus dem Tetrapack


«Auf den Inhalt kommt es an, nicht auf das Medium», schreibt ein anonymer Kommentator im Kommentarfeld dieses Blogs. Und er fügte dieser Platitüde eine weitere hinzu: «Es gibt Zeitungen, die arbeiten genau und seriös. Andere nicht. Bei Blogs ist das genau so.»

Wirklich? Ich glaube, es ist Zeit, dass wir aufhören, auf eine so oberflächliche Weise über Medien zu diskutieren. Es kommt nur auf den Inhalt an, nicht auf das Gefäss: Bei einem guten Burgunder würde niemand auf die Idee kommen, so etwas zu behaupten. Den Burgunder wollen wir aus einer Glasflasche trinken, nicht aus einem Tetrapack und auch nicht aus einer Petflasche. Nur bei den Medien darf man ungestraft sagen, es komme nur auf den Inhalt an, nicht auf das Gefäss. Denn es sind ja schliesslich nur Buchstaben, gell?

Der deutsche Medienwissenschaftler Norbert Bolz begnügt sich nicht mit Oberflächlichkeiten. Er denkt einen Zacken weiter. In einem Interview mit der Zeitschrift Focus sagte er (online nicht zugänglich):

«Nur bei Printmedien sind Reflektiertheit, Distanziertheit und guter Wille zum Stil durch das Medium gesetzt.»


Gemeint ist: Bei internetbasierten Medien, Blogs, Online-News-Seiten und Apps aller Art behindern die Produktionsbedingungen den Willen zur Reflektion und zum Stil.

Nicht dass ich mit allem einverstanden wäre, was Bolz so rauslässt. Aber wo er recht hat, hat er recht. Dass das Medium den Inhalt und die Wahrnehmung beeinflusst, hat schon Marshall McLuhan vor einem halben Jahrhundert gezeigt: The medium is the message. Leider droht dieser Aspekt immer wieder in Vergessenheit zu geraten, wenn über Medien diskutiert wird.

Samstag, 17. Juli 2010

Vrément schwette

Leserinnen und Leser dieses Blogs wissen es: Georges Perec hat in seinem Werk «La Disparition» auf Wörter verzichtet, die den Buchstaben E enthalten. Ein paar Jahre später hat er das Spiel noch um einen Zacken weiter getrieben: Im Roman «Les Revenentes» verwendete Perec nur Wörter mit E. Das war wesentlich schwieriger und ging nur mit einigen Kunstgriffen, wie das folgende Müsterchen verdeutlicht:

Stephen Brewster besse le sleep et révèle les gemmes de ses encêtres: Mezette! le membre est tellement grend qe c'en est vrément éléphentesqe. Mets le schwette, le vrément vrément schwette, c'est qe le mec se l'est grémenté de seelwettes dentelées lesqelles représentent presqe perfètement les Rènes d'Engleterre, de Perse et de Grèce!

Um sein Konzept durchhalten zu können, verwendete Perec etliche englische Wörter, oder er wich auf unorthodoxe Schweibweisen aus:
sleep = slip
grend = grand
qe = que
vrément = vraiment
schwette = chouette
seelwettes = silhouettes
usw.

Mittwoch, 7. Juli 2010

Highlife oder Hell?

«Exile on Main Street» ist eines der besten Rock-Alben. Und es ist, as far as I'm concerned, das beste Album der Rolling Stones. Es enthält keine Hits à la «Brown Sugar» oder «Honky Tonk Women», aber vier Plattenseiten mit unverdünnter Leidenschaft, kompromisslos auf den Punkt gebrachte Musik, brillant gespielt, kurz: «a really soulful record» (Don Was). Der neue Film «Stones in Exile» verspricht, die Entstehungsgeschichte des Albums zu erzählen, das die Stones im Sommer 1971 in einer Villa in der Nähe von Nice aufnahmen, die die Gestapo dreissig Jahre vorher als südfranzösisches Hauptquartier benützt haben soll.

Das gibt's doch nicht, dachte ich, als ich den Film zum ersten Mal sah. Noch und noch kommen in «Stones in Exile» Beteiligte und Zaungäste zu Wort, und alle zeichnen das Bild einer Band, die eine gute Zeit in Südfrankreich verbrachte: «Highlife, wonderful» sei es gewesen, sagt Mick Taylor, eine «unglaublich kreative Periode». «It was pretty cool», meint Producer Andy Johns. Die Stones seien «ganz entspannt» miteinander abgehängt, erzählt Bill Wyman.

Bevor ich mir den Film reinpfiff, hatte ich ein Buch gelesen, das eine ganz andere Geschichte erzählt: «Exile on Main Street – A Season in Hell with the Rolling Stones» des amerikanischen Schreibers Robert Greenfield. Das 2006 erschienene Buch liest sich wie eine Abfolge von Autounfällen, Schlägereien, Drogengeschichten, Promiskuität und Intrigen. Das reine Chaos, eine monatelange Katastrophe. Wenn man Robert Greenfields Worte für bare Münze nimmt, waren die Stones eher eine Bande von gestörten Kriminellen als eine geniale Rockband. Der Film «Stones in Exile» verliert kein Wort über die Autounfälle, Promiskuität und Intrigen. Nun, der Film war koproduziert von Mick, Keith and Charlie.

Wer erzählt die wahre Geschichte? Der Film «Stones in Exile» oder Robert Greenfield? War der Sommer, den die Stones in Südfrankreich verbrachten, eine entspannte, kreative Zeit oder eine Saison in der Hölle?

Keine Ahnung. Und ehrlich gesagt, ist es mir egal. Die Wahrheit liegt vermutlich irgendwo dazwischen. Und bei einer Band, die sich schon immer meisterhaft in Szene zu setzen wusste, ist es nicht so interessant, zwischen Wahrheit und Fiktion zu trennen.