Dienstag, 16. November 2010

«Moderne Internetmenschen» und die Zeitung

Ein Burgdorfer Werbegrafiker heimste kürzlich massiven Beifall der Blogger-Szene ein. Grund: In einem Blogpost beschrieb er sich als «modernen Internetmenschen», der auf die Lektüre von Zeitungen verzichte. Er sei «nicht mehr von einem Verlagshaus abhängig», weil er sich «sein persönliches Newspaket selber im Internet zusammenstellen könne.»

Halten wir doch wieder einmal fest, wie die Medienwelt funktioniert. Als Beispiel eignet sich die Berichterstattung über die neusten Vorgänge bei der Basler Zeitung. Am Sonntag titelte die NZZ am Sonntag: «Blocher bestimmt Kurs der Basler Zeitung». Mit diesem Bericht löste die NZZ am Sonntag einen kleinen Aufstand der BaZ-Redaktion aus.

Die Medienblogs nahmen den Ball begierig auf:
- der Medienspiegel zitierte die Newsnetz-Meldung (mit Verweis auf die neckische Titelsetzung «Blocher übernimmt die Macht bei der Basler Zeitung»);
- der Journalistenschredder käute die Meldung der ZPV- und Infamy-Blogs wieder, die ihrerseits ebenfalls die Newsnetz-Meldung zitiert hatten (wenn auch mit unterschiedlich gefärbten Interpretationen);
- das Blog Arlesheim reloaded nahm sich immerhin die Mühe, die Vorarbeit der professionellen Journalisten mit einem eigenen Kommentar anzureichern;
- und das Blog buergler.net rechnete hoch, wie viele BaZ-Leser ihr Abo kündigen könnten.

Fazit: Einmal mehr brachte das von den «modernen Internet-Menschen» viel geschmähte Holzmedium die Sache ins Rollen. Die Blogger betätigten sich wie gewohnt als Wiederkäuer.

Geschenkt: Der Bericht der NZZ am Sonntag ist gratis im Netz sichtbar. Man musste die Printausgabe nicht kaufen, um den Bericht zu lesen. Doch wenn alle so denken würden wie der eingangs zitierte Burgdorfer Werbegrafiker, und wenn niemand mehr die NZZ am Sonntag kaufen würde, und wenn das Blatt folglich nicht mehr existieren könnte, dann würde den Medienblogs sofort der Stoff ausgehen. Denn auch diesmal war kein Blog in der Lage, die Enthüllungsarbeit des Holzmediums zu leisten.