Es ist immer wieder erstaunlich, welche Karriereschritte manche Leute hinlegen. Zum Beispiel Andreas von Gunten. Mitte der neunziger Jahre gab er bei der Ländlergruppe «Familie Trüeb» währschaftes Schweizer Liedgut zum besten wie «Mi Vater isch en Appizäller». Das vielleicht grösste Verdienst der Freiämter Truppe war die Wiederentdeckung des grossartigen Liedermachers Artur Beul, dessen zeitlose Werke «Noch em Räge schiint d'Sunne» oder «Am Himmel Stoth es Sterndli» von Gunten & Co in entstaubten Versionen unter die Leute brachten. Unterdessen hat Andreas von Gunten der Volksmusik den Rücken gekehrt, er arbeitet heute als Geschäftsführer der Firma Blogwerk. Und legte einen bemerkenswerten Gesinnungswandel hin, der demjenigen von Filippo Leutenegger – vom Maoisten zum SVP-affinen FDP-Nationalrat – in nichts nachsteht.
Wie manche Internet-Unternehmer bekundet Andreas von Gunten ein Problem mit dem Urheberrecht. In seinem Blog kritisiert er Musiker, die sich gegen Urheberrechtsverletzungen seitens der Erben des berühmten Konzertveranstalters Bill Graham wehrten, als «Vertreter der geistigen Monopolrechte». Im Kommentarfeld seines Blogs wies ich Andreas von Gunten auf seinen Denkfehler hin:
Das ist so, wie wenn ich in die Migros gehe und Lebensmittel für 200 Franken mitnehme ohne zu zahlen, und wenn der Ladendetektiv kommt, sag ich ihm: Ich bin für die Abschaffung der Lebensmittel-Monopolrechte. Oder ich gehe in die Kronenhalle und bestelle ein feudales Menü, und wenn der Kellner mit der Rechnung kommt, sag ich ihm: Ich bin für die Abschaffung der gastronomischen Monopolrechte.
Von Guntens Antwort liess nicht lange auf sich warten:
Man kann Inhalte, sprich Ideen nicht mit materiellen Produkten vergleichen. Darum ist es eben nicht dasselbe, und ich plädiere nicht dafür, in der Migros oder im Restaurant nicht für die Produkte zu bezahlen.
Ganz schön keck, doch mir leuchtet Andreas' Antwort nicht ein. Man kann nämlich geistige Werke sehr wohl mit materiellen Gütern vergleichen: Nicht nur Metzger, Bauern oder Bäcker, sondern auch die Urheber von geistigen Werken brauchen Geld, um ihre Wohnungsmiete, Nahrungsmittel, Kleider usw. zu bezahlen. Wenn aber Leute wie Andreas von Gunten postulieren, für geistige Werke müsse man nichts bezahlen, dann führt das über kurz oder lang dazu, dass niemand mehr bereit ist, geistige Werke herzustellen. Weil man damit kein Geld mehr verdienen kann. Und dann können die Internet-User auch keine geistigen Werke mehr stibitzen – weil es keine mehr gibt.
Erstaunlich ist, dass Andreas von Gunten früher selber Urheber von geistigen Werken war. Noch vor vier Jahren jubelte er in seinem Blog:
Der Vertrag von EMI ist eingetroffen, yeah!
Andreas von Guntens Kriegserklärung an das Urheberrecht ist also nicht nur unlogisch und kurzsichtig, sondern auch inkonsequent. Mit Wonne schiesst der Blogwerk-Chef gegen das Urheberrecht, aber das hindert ihn nicht daran, mit dem Erzfeind einen Vertrag abzuschliessen. Ausgerechnet mit EMI, einer der meist kritisierten grossen Plattenfirmen. Wasser predigen und Wein trinken – oder wie sagt man einem so widersprüchlichen Verhalten?
Lieber Bobby, ich habe mich schon bei Deinem ABC der Schweizer Twitterer im Oktober darüber gefreut, dass Du einer der wenigen bist, der sich noch an die Familie Trüeb erinnert. Nicht zuletzt deswegen, brenne ich darauf, dich auch mal persönlich kennen zu lernen. Und natürlich auch, um mit Dir über die geistigen Monopolrechte zu diskutieren.
AntwortenLöschenIch habe mich damals vor vier Jahren über das Eintreffen des EMI Vertrages gefreut, das ist wahr. Wenn ich dazu nicht stehen würde, hätte ich den Artikel schon längst aus meinem Blog entfernt. Dabei ging es aber mehr darum, dass die CD wieder erhältlich gewesen wären und nicht dass ich bzw. wir damit Geld verdient hätten. Ich kann Dir versichern, dass wir mit den CD's Anfang der Neunziger Jahre (als es noch kein Internet gab wie Heute notabene) fast nichts verdient haben. Da gibt es also keinen Widerspruch zu konstruieren lieber Bobby, so schön das gewesen wären.
Die Familie Trüeb war eine tolle Geschichte und wir haben mit den Schweizer Volksliedern und Schlagern nicht nur in den Kleintheatern der Schweiz jeweils vor ausverkauften Rängen gespielt, sondern auch am Open Air St. Gallen oder am Jazz Festival Montreux. Ich erinnere mich sehr gerne an diese Zeit zurück. Die CD's sind bei EMI übrigens dann doch nicht ein zweites Mal erschienen, kurz nachdem der Vetrag bei uns eingetroffen ist, wurde der Laden ein weiteres Mal restrukturiert.
Nun zum eigentlichen Thema. Ich sage nicht, dass Inhalte "Gratis" sein müssen, bzw. dass mit Inhalten nicht auch Geld verdient werden kann. Aber ich glaube nicht, dass der Weg über künstliche Verknappung von etwas was im Überfluss vorhanden ist, der richtige ist. Ich bin überzeugt davon, dass derjenige der gelesen oder gehört werden will, in der heutigen Zeit erst mal die nötige Aufmerksamkeit erreichen muss. Diese bekommt er am ehesten durch Weiterempfehlung. Die Weiterempfehlung findet im Internet durch Sharing statt, geshared werden kann nur, was auch für die potentiellen Empfänger des Links einsehbar ist. So einfach ist das. Geld verdienen muss man nun halt durch andere Wege, zum Beispiel indem man Convenience schafft. Ich habe da den heiligen Gral auch nicht gefunden, aber die Paywall wird mit grosser Wahrscheinlichkeit nicht funktionieren. Es gibt viele Beispiele, die ich hier anbringen könnte, aber das würde einen Kommentar wie diesen hier sprengen. Ich werde aber wie im Kommentar angekündigt, mal ein paar Blogposts zu diesem Thema schreiben um zu erklären, was alles hinter diesen Ideen steckt, mit denen ich ja auch nicht alleine da stehe.
(Fortsetzung im folgenden Kommentar, da hier eine Zeichenbegrenzung besteht :-)
(Fortsetzung vom vorherigen Kommentar)
AntwortenLöschenKommen wir zum Urheberrecht bzw. dem sogenannten geistigen Eigentum. Ich glaube, und auch damit bin ich nicht alleine, dass das Konzept des geistigen Eigentums ein falsches Konzept ist, dass wir hinterfragen sollen. Es ist ja auch nicht so, dass das schon seit Menschengedenken existieren würde, sondern es ist im Zusammenhang mit dem Buchdruck entstanden um die Buchdrucker und Verleger vor Wettbewerb zu schützen und nicht die Autoren, wie immer behauptet wird. Aber das nur am Rande. Für mich am wichtigsten ist die Überzeugung, dass eine Idee nicht auf ein Individuum reduziert werden kann, sondern dass der Kreativprozess ein grundsätzlich Kollektiver ist. Hier habe ich diesen Gedanken mal anlässlich der Hegemann Geschichte dargelegt:
http://www.andreasvongunten.com/blog/2010/2/16/der-fall-hegemann-und-die-freilassung-der-ideen.html
Weiterhin denke ich, dass der Gesellschaft besser gedient wäre und es mehr und nicht weniger Kreativität und Innovation gäbe, wenn es den Urheberrechtsschutz im Sinne eines Ausschlussrechtes bzw. eben Monopolrechtes sowie den Patentschutz nicht gäbe. Die Behauptung von Dir, dass niemand mehr kreativ sein würde, wenn es die Urheberrechte nicht gäbe, kann einfach nicht stimmen, weil nämlich auch heute 99% derjenigen die Kreativ sind, von ihren Urheberrechten keinen müden Rappen verdienen können.
Das war jetzt eine lange Antwort ich weiss, aber Du hast sie ja auch gewünscht :-)
PS: Hast Du noch mehr Familie Trüeb Material in Deinem Archiv? Daran wäre ich interessiert :-)
Andreas von Gunten > Schade, dass EMI die Familie-Trüeb-CDs nicht wieder veröffentlicht hat. Immerhin war die Familie Trüeb die einzige Gruppe, die Schweizer Volksmusik auf nicht-peinliche Art modernisiert hat. Das ist immer noch aktuell und gehört in die Plattenläden. Wenn Du aber konsequent wärst, müsstest Du die Musik als Gratis-MP3 ins Netz stellen, statt mit EMI zu geschäften.
AntwortenLöschenEs stimmt nicht, dass nur Verleger vom Urheberrecht profitieren. Natürlich sahnen die Verleger ab. Aber wenn die Verleger keinen Profit mehr machen können, weil keine Einnahmen mehr reinkommen, dann haben auch die Urheber, also zB wir Journalisten, kein Einkommen mehr. Und genau das passiert ja zur Zeit: Die Leute glauben, sie könnten alles gratis im Internet bekommen. Und das ist ein Grund dafür, dass immer mehr Journalisten ihren spannenden Arbeitsplatz verlieren. Die Idee, dass alles im Internet gratis sein soll, zerstört also viele spannende Arbeitsplätze.
Ergo ist das Urheberrecht die Voraussetzung für Kreativität und Innovation. Denn ohne Urheberrecht können die Urheber nicht überleben. «99% derjenigen, die kreativ sind, verdienen von ihren Urheberrechten keinen müden Rappen»: Das stimmt nicht und ist eine reine Behauptung. Ich verdiene viele Franken mit geistiger Arbeit – aber wenn es so weitergeht mit der Internet-Piraterie, dann ist früher oder später auch mein Job gefährdet. Deshalb bekämpfe ich den Diebstahl von geistigem Eigentum. Von «Weiterempfehlungen» kann ich nicht leben. Die «Empfehlungen» zahlen meine Wohnungsmiete nicht – Deine Theorie geht nicht auf.
Deine Hegemann-Reinwaschung überzeugt mich auch nicht. Hegemann hat viel abgeschrieben, das sie nicht selbst erlebt hat, und es lange geleugnet. Das war nur peinlich. Das kann man nicht als neue «Kreativmethode» beschönigen.
Wir haben uns schon mal getroffen, als ich mit der Familie Trüeb ein Interview machen durfte. Einem neuen Treffen steht von mir aus nichts im Weg, solange der Berner Selbstdarsteller (Leu) nicht dabei ist.
Das Einkommen- bzw. Job-Argument ist natürlich nachvollziehbar: Auch ich würde meinen Job nicht verlieren wollen. Aber es ist nicht »logisch«: Denn wenn ein Job auf einer Idee aufbaut, die grundsätzlich problematisch ist, dann kann eine Änderung dieser Idee auch etwas Gutes sein, wenn dabei Jobs verloren gehen (konkrete Beispiele liegen auf der Hand).
AntwortenLöschenDas Problem ist: Es gibt kein Eigentum an geistigen Produkten, weil es keinen Besitz von geistigen Produkten gibt. Und weil geistige Produkte beliebig oft kopiert werden können, ohne dass sie sich verändern.
In Bezug auf die KünstlerInnen gibt es auch bei der Abschaffung des Urheberrechts kein Problem: KünstlerInnen müssen zwar leben können und ein Einkommen finden - aber nicht zwingend über den Verkauf von »geistigem Eigentum«. Zudem sollten Sie ja Kunst machen, weil sie Kunst machen wollen - und nicht um Geld zu verdienen.
Bei den JournalistInnen sieht die Sache etwas anders aus - denn recherchieren etc. würden viele Menschen nicht mehr, wenn sie dafür nicht bezahlt würden. Nun sagt aber einerseits noch niemand, dass in einer Welt ohne geistiges Eigentum JournalistInnen nicht mehr bezahlt würden; andererseits wärs dann vielleicht an der Zeit, sie wie viele Kulturschaffende und Lehrpersonen mit einem staatlichen Leistungsauftrag auszustatten.
Philippe > Du machst die gleichen Denkfehler wie Andreas von Gunten:
AntwortenLöschen1. Wenn die Urheber (Journalisten usw) arbeitslos werden, geht viel verloren, das nicht adäquat ersetzt werden kann. Recherchierjournalismus, Kulturkritik usw. kann nicht zuhause von Hobby-Bloggern in der gleichen Qualität gemacht werden. Es gibt keinen Ersatz für professionellen Journalismus. Wenn Journalismus nicht mehr finanziert werden kann, dann Gute Nacht. Dann ist es vorbei mit der aufgeklärten Gesellschaft mündiger Staatsbürger.
2. Deine Behauptung, es gebe kein Eigentum an geistigen Produkten, stimmt nicht. Richtig ist: Wenn ich ein Bild male, gehört es mir, solange ich es nicht verkaufe. Und wenn ich es verkaufe, dann gehört es dem Käufer. Das gleiche gilt sinngemäss für Texte, Musik usw. Wenn man sie im Internet illegitimerweise weiter verbreitet, ist das Diebstahl. Es ist kriminelles Verhalten. Du betrügst damit den Produzenten um die Früchte seiner Arbeit. Nur weil man mit dem Computer alles kopieren kann, heisst das nicht, dass Diebstahl jetzt legal und legitim wäre.
3. Künstler müssen zwingend über den Verkauf von geistigem Eigentum ein Einkommen finden. Von was sollen sie denn sonst leben? Wenn sie kein Geld mehr kriegen für ihre Werke, müssen sie aufhören, Kunst zu machen. Und dann können die Internet-Piraten nichts mehr klauen. Weil es nichts mehr zu klauen gibt.
4. «Sie sollen Kunst machen, weil sie Kunst machen wollen, nicht um Geld zu verdienen»: Das ist abgrundtiefer Zynismus. Darüber hat sich schon Randy Newman vor 40 jahren mokiert: «Who needs money, when you're funny?» Im Ernst, Wampfler: Ein Künstler kann nur dann intensiv Kunst machen, wenn er davon leben kann. Sonst ist er nur ein verdammter Sonntagsmaler. Der Diebstahl an geistigen Werken, den Du propagierst, führt dazu, dass es keine Künstler mehr gibt, sondern nur noch Dilettanten. Und dass es keinen Journalismus mehr geben wird, sondern nur noch Hobby-Blog-Plauderer.
«Nun sagt niemand, dass in einer Welt ohne geistiges Eigentum Journalisten nicht mehr bezahlt würden»: Doch, das sagt jemand. Ich sage es. Flattr-Almosen sind sicher kein funktionierendes Geschäftsmodell.
«Andererseits wärs dann vielleicht an der Zeit, Journalisten mit einem staatlichen Leistungsauftrag auszustatten»: Damit bin ich einverstanden. Aber auch das ist keine Legitimation für geistigen Diebstahl. Es gibt dann immer noch viele andere Urheber, die nie einen staatlichen Leistungsauftrag kriegen werden (Musiker, Künstler, Schriftsteller...)
Bobby, wie wäre es, wenn du aufhören würdest, andere Ansichten als "Denkfehler" abzukanzeln? Das zeugt von geistiger Unbeweglichkeit. Und wie wäre es, wenn du die Kommentare auch lesen würdest? Phillippe hat überhaupt nicht davon geredet, dass professioneller Journalismus ersetzbar oder via flattr finanzierbar wäre. Es sagte bloss, dass sie anders finanziert werden können. TV-Journalisten werden schon heute nicht über den Verkauf von Beiträgen finanziert.
AntwortenLöschen2. Deine Ausführungen sind juristisch komplett falsch. Es gibt juristisch in der Schweiz kein "geistiges Eigentum". Es gibt bloss Immaterialgüterrechte, und diese sind vom Sachenrecht klar getrennt. Stehlen kann man nur Sachen, aber keine immaterielle Güter. Verstösse gegen Immaterialgüterrechte sind juristisch kein Diebstahl. Dies wurde bewusst so entschieden. Sonst wäre ja der Ablauf eines Patentes oder des Urheberrechtes an einem Werk eine staatliche Enteignung. Ist es aber nicht. Und: Schon vor dem Computerzeitalter war es legitim und legal, Privatkopien zu erstellen. Es wäre mal an der Zeit, dass du erkennst, dass deine Vorstellung von "geistigem Eigentum" nie und nirgends gesetzlich umgesetzt wurde. Du bedienst dich einer Metapher aus den PR-Abteilungen der Contentindustrie, die mit dem Recht nichts zu tun hat.
3. Die meisten Künstler leben nicht vom Verkauf von Kopien ihrer Werkstücke. Ein Maler übrigens auch nicht. Der verkauft seine Originale, so wie Musiker Konzerte verkaufen oder Schauspieler Aufführungen. Würde das stimmen, was du behauptest, gäbe es keine afrikanische Kultur. In fast ganz Afrika sind Immaterialgüterrechte praktisch inexistent bzw. werden nicht durchgesetzt. Und trotz viel schwierigeren Bedingungen gedeiht die Kultur.
4. erübrigt sich, denn es hat gar niemand gesagt, dass Künstler nicht von ihrer Tätigkeit leben sollen können. Alternativ könnte man sich aber auch über ein bedingungsloses Grundeinkommen Gedanken machen. Aber das lässt deine geistige Unbeweglichkeit wohl auch nicht zu.
David > Es geht um die Wurst, unter anderem um meinen Job. Deshalb ist es nötig, Klartext zu reden und die Piraterie entschieden zu bekämpfen. «Denkfehler» ist in diesem Zusammenhang ein freundliches Wort. Ich habe auch weniger freundliche Begriffe auf Lager, zB «kriminelles Verhalten». Und es amüsiert mich, wenn Leute, die dogmatischer sind als der Papst, mir «geistige Unbeweglichkeit» vorwerfen. Jedesmal, wenn ich hier etwas schreibe, behauptest Du reflexartig das Gegenteil. Soll das geistige Beweglichkeit sein?
AntwortenLöschenIch bin juristisch nicht beschlagen, und mich interessieren juristische Details nicht allzu sehr. Mir geht es mehr um die moralische Seite: Klauen von Content jeder Art ist Betrug am Urheber und führt dazu, dass die Qualität des Contents zwangsläufig sinkt, weil es sich niemand mehr leisten kann, hochstehende Werke zu produzieren.
Ich habe übrigens nie gesagt, man dürfe keine Privatkopien von CDs erstellen. Ich mache das ja selber auch. Ich bekämpfe aber vehement die Idee, man könne im Internet alles gratis herunterladen und müsse deshalb keine Zeitungsabos oder CDs mehr kaufen. Wer das systematisch macht, trägt aktiv dazu bei, das künstlerische und journalistische Schaffen abzuwürgen. Und weil ich selber als Journalist arbeite, kann ich die Rechtfertigung der Piraterie nicht kommentarlos hinnehmen.
Es ist mir deshalb egal, ob Künstler vom Verkauf von Originalen oder von Kopien leben. Auf solche Spitzfindigkeiten von Deiner Seite will ich gar nicht eingehen. Du weisst schon, was ich meine: Wer Texte oder Kunstwerke produziert, muss dafür entschädigt werden. Wer solche Werke klaut, trägt dazu bei, die Produktion zu verunmöglichen. Das ist alles, was man wissen muss.
Deine Ausführungen zur afrikanischen Kultur sind blanker Zynismus. Wenn Du im Ernst Afrika als Vorbild betrachtest, dann muss ich auf diesen Unsinn nicht eingehen. Afrika ist ein Kontinent am Rand des Zusammenbruchs. Es ist geschmacklos, die prekäre wirtschaftliche Situation in Afrika zu romantisieren.
(Anscheinend ist mein Kommentar wieder zu lang, also in 2 Schritten:)
AntwortenLöschenDer Unterschied zwischen uns ist, dass wir dir nicht vorwerfen, du würdest einen Denkfehler machen, sondern einfach, dass du eine andere Ansicht hast. Wir können deine Ansicht nachvollziehen, aber wir lehnen sie ab. Du hingegen behauptest, dass deine Ansicht die einzige richtige ist und dass es keine andere richtige geben kann. Wir sagen nicht, dass deine falsch ist. Wir sagen einfach, dass es zukunftsträchtigere Ansichten gibt als deine.
Der zweite Abschnitt bringt es auf den Punkt: Du argumentierst moralisch, in Kategorie gut und böse, wie der Papst. Wir hingegen finden, dass es keine moralische Frage von gut und böse ist, sondern eine Frage des Interessensausgleichs. Und auch der Gesetzgeber hat zum Glück daraus nie eine moralische Frage gemacht, deshalb gibts das Recht auch Privatkopie (auch als Internet-Download) und viele weitere Schranken. Aber es gibt kein Klauen, keinen Betrug und keine Enteignung in Sachen Urheberrecht. Es gibt bloss Verstösse. Es geht um Zivilrecht, nicht um Strafrecht. Die Interessensabwägung kann man unterschiedlich machen, es gibt dabei kein richtig und kein falsch. In meinen Augen kommen im Moment die Interessen derjenigen, die Kultur konsumieren, und auch derjenigen, die in kleinem Rahmen Kultur produzieren, zu kurz. Die grossen Labels und Verlage hingegen kommen voll auf ihre Rechnung. Da sahnen Leute mit dem Mickey Mouse ab, obwohl dessen "Schöpfer" schon längst tot sind.
Du kannst ja mal versuchen, einen politischen Vorstoss einzubringen, dass Urheberrechtsverletzungen als Diebstahl zu behandeln sind. Du wirst damit keine Mehrheit finden. Also hör bitte auf zu behaupten, deine Ansicht sei richtiger als andere.
AntwortenLöschenAfrika ist in weiten Teilen weit weg vom Zusammenbruch, sowohl wirtschaftlich wie kulturell. In Sachen freier Kultur können wir von Afrika tatsächlich etwas lernen. Es ist überhaupt nicht geschmacklos, Afrika als Vorbild zu nehmen. Es ist viel geschmackloser, Afrika bloss als Elend zu betrachten und seine Leistungen zu negieren. Der Rand des Zusammenbruch sieht anders aus: http://data.worldbank.org/indicator/NY.GDP.MKTP.KD.ZG/countries/1W?order=wbapi_data_value_2008%20wbapi_data_value&sort=desc&display=default
David > «Du hingegen behauptest, dass deine Ansicht die einzige richtige ist»: Ja, natürlich tue ich das. Weil ich als Journalist persönlich betroffen bin vom Content-Klau. Wer geistige Werke klaut, trägt dazu bei, dass meine Kollegen ihre Stelle verlieren, und dass ich immer weniger verdiene. Das nehme ich sicher nicht ohne Widerspruch hin. Und wenn ich dann lese, dass geistige Werke angeblich benützt werden dürfen ohne dass man zahlt, und dass das kein Diebstahl sei, dann sag ich eben: Doch, es ist Diebstahl, weil die Urheber von geistigen Werken auch eine Entschädigung für ihre harte Arbeit zugute haben.
AntwortenLöschenNochmals: Ich habe nie das Recht auf eine gelegentliche Privatkopie bestritten, sofern man zuerst für ein Werk bezahlt. Aber wenn das Privatkopieren seriell erfolgt, d.h. wenn ein Grossteil des Medienkonsums ohne Bezahlung abgewickelt wird, dann ist es eben doch nichts anderes als Diebstahl. Und wenn dann die Internet-Fans immer wieder behaupten, im Internet dürfe sich Hinz und Kunz gratis bedienen und das müsse so sein, weil alles andere dem Wesen des Internets zuwider laufe, dann sag ich eben: Das stimmt nicht. Auch im Zeitalter des Internets können die Urheber nur überleben, wenn sie den Lohn für ihre Arbeit bekommen.
Und dann ist es mir auch scheissegal, ob der Content-Klau unters Zivilrecht oder unters Strafrecht fällt, und ob es ein Diebstahl oder «nur» ein Verstoss ist. Wer geistige Werke klaut, muss bestraft werden. Basta.
«In meinen Augen kommen im Moment die Interessen derjenigen, die Kultur konsumieren, zu kurz»: Genau gegen solchen Nonsense kämpfe ich. Das ist einfach totaler Quatsch, David, und Du weisst es genau. Ich geh doch auch nicht in die Kronenhalle und sag: Die Interessen der Esser kommen zu kurz, weil die Menüs nicht gratis sind. Das ist ganz einfach eine Frechheit. Ich will verdammt noch mal einen Lohn für meine Arbeit. Und wenn ich den Lohn nicht mehr kriege, muss ich mir einen anderen Job suchen. Ich will aber verdammt nochmal keinen anderen Job. Also vergiss Deine Rechtfertigungen für den Content-Klau subito.
«Da sahnen Leute mit dem Mickey Mouse ab, obwohl dessen Schöpfer schon längst tot sind»: Ja und? Wo ist das Problem? Dann sahnen sie halt ab. Die Firma Volkswagen sahnt auch ab, obwohl Hitler schon längst tot ist. So what? Das Problem liegt nicht bei der Firma Walt Disney, sondern bei den serbelnden Tageszeitungen. Die entlassen Personal en masse. Und daran bist Du schuld!
Das ist eine sehr anregende Diskussion. Mal abgesehen vom Lebensunterhalt - ich habe in meinem Kommentar klar festgehalten, dass KünstlerInnen ein Auskommen haben müssen in jeder zivilisierten Gesellschaft, und auch JournalistInnen, aber nicht zwingend über den Verkauf ihres geistigen Eigentums: Wie begründest du geistiges Eigentum? Materielles Eigentum (meiner Meinung nach: die einzig mögliche Form von Eigentum) begründet sich dadurch, dass ein Gut nur beschränkt vorhanden ist. In der Kronenhalle gibt es nicht für ganz Zürich genug Essen - deshalb muss man eine Lösung finden, wie dieses Essen verteilt wird. Deinen Blog kann aber ganz Zürich kopieren und es gibt ihn immer noch - völlig unverändert.
AntwortenLöschenWenn man also das einmal erfolgreiche Geschäftsmodell von Verlagen etc. vergisst (sich also vorstellt, es habe es nie gegeben) - wo entsteht dann ein moralisches Problem bei der Verbreitung von geistigem Eigentum?
Für mich ist das eine Frage, die sich an einem Beispiel aus meiner Schulzeit diskutieren lässt. Viele Schülerinnen und Schüler haben in den meisten Unterrichtsstunden keine sauberen Notizen gemacht - und sich darauf verlassen, sich diese Notizen vor der Prüfung von jemand anderem kopieren zu können. Zunächst gab es kein Problem dabei. Mit der Zeit stellte sich aber heraus, dass die Notizen einer Schülerin besonders sorgfältig waren - und so wollten alle die Notizen dieser Schülerin kopieren. Nun fühlte sie sich aber ausgenutzt (obwohl ihre Noten beständig gut waren) und weigerte sich, das Heft herzugeben.
Man könnte nun die Position der Schülerin nachvollziehbar finden - es war ihr Heft und ihre Notizen. Aber wurde sie wirklich ausgenutzt? Hatte sie einen Schaden dadurch, dass alle ihre Notizen benutzt haben? Oder weigerte sie sich nicht nur, anderen zu helfen, die diese Hilfe nötig hatten?
Tatsächlich gab sie das Heft ihren FreundInnen weiterhin. Und diese ließen wiederum ihre FreundInnen Kopien von ihren Kopien anfertigen. Und so hatten letztlich wiederum alle eine Kopie des Hefts der Schülerin.
Philippe > «Materielles Eigentum begründet sich dadurch, dass ein Gut nur beschränkt vorhanden ist»: Das ist eine ziemlich wackelige Hypothese. Valserwasser zB ist praktisch unbeschränkt vorhanden. Es fliesst immer wieder neu aus der Quelle. Und die Kronenhalle könnte problemlos für die ganze Stadt kochen, wenn das erwünscht wäre, man müsste nur Filialen in den Quartieren eröffnen, wie McDonalds oder Santa Lucia.
AntwortenLöschen«Deinen Blog kann aber ganz Zürich kopieren und es gibt ihn immer noch»: Ja. Eben. Genau. Hier ist sie wieder – die Verachtung der geistigen Arbeit. Weil man einen Text im Internet nicht mehr mit den Händen greifen kann, ist er nichts wert. Also darf man ihn klauen und kopieren soviel man will. Genau diesen Denkfehler bekämpfe ich immer erbitterter. Diese Geringschätzung der geistigen Arbeit muss endlich aufhören. Mein Text ist im Internet beliebig oft kopierbar – aber das ändert nichts daran, dass ich auch meine Wohnungsmiete bezahlen muss, genau so wie der Koch in der Kronenhalle.
«Wenn man also das einmal erfolgreiche Geschäftsmodell von Verlagen vergisst - wo entsteht dann ein moralisches Problem bei der Verbreitung von geistigem Eigentum»: Ich verstehe nicht, warum man das Geschäftsmodell der Verlage vergessen soll. Das ist auch so eine Marotte der Internet-Fans. Als Journalist brauche ich einen Verlag, der meine Texte abkauft. Ich kann sie nicht selber unter die Leute bringen. Ich könnte theoretisch Verleger werden, aber ich will das nicht.
Der Diebstahl von geistigem Eigentum hat aber nichts mit dem Geschäftsmodell zu tun. Diebstahl ist Diebstahl, egal wie das Geschäftsmodell aussieht. Wenn Du Juwelen klaust, fragt Dich die Polizei auch nicht, wie das Geschäftsmodell des Juweliers aussieht. Wenn die Juwelen nicht Dir gehören, darfst Du sie nicht behändigen und basta. Egal ob der Juwelier auf eigene Rechnung arbeitet oder ob er angestellt ist.
«Hatte sie einen Schaden dadurch, dass alle ihre Notizen benutzt haben»: Selbstverständlich hatte sie einen Schaden. Die Schule basiert auf Konkurrenzkampf: Wenn alle Schüler gleich gut sind, ist die beste Schülerin nicht mehr die beste. Die sorgfältige Schülerin hat das kapiert.
Bobby, ich verstehe ja deine Argumentation, aber es ist nicht die einzig richtige. Es gibt auch gute Gründe für das bestehende Gesetz, das Downloads erlaubt, und es gibt auch gute Gründe für eine Schwächung des Urheberrechts, egal wie oft du es noch Quatsch, Nonsense und Denkfehler nennst und deine unpassenden Vergleiche mit dem Sachenrecht machst. Ausserdem krankt der Journalismus nicht an unauthorisierten Kopien. Die Verlage stellen das Zeug selber gratis online. Schuld daran sind sicher nicht jene, die dieses Angebot nutzen. Wenn schon wären die Verleger schuld, aber auch damit würde man es sich meines Erachtens zu einfach machen. Ich denke wirklich, dass der Wert von Linkempfehlungen höher ist als als der Verkaufspreis einer Zeitung. Ausserdem wären die Zeitungen auch in einer Finanzierungskrise, wenn keine von ihnen Inhalte ins Netz stellen würde, denn eine grosse Einbusse verursachte die Verschiebung der Anzeigen ins Netz. Das sind technische und ökonomische Realitäten, und in der Wirtschaft ist es nun mal so, dass man sich den äusseren Bedingungen anpassen muss.
AntwortenLöschenÜbrigens: Dass die Indianer nicht verstehen konnten, dass man Boden besitzen kann – war das auch ein "Denkfehler"?
Und noch ein Übrigens: Ich habe ein Zeitungsabo, kaufe hie und da Songs bei iTunes, flattre, wo es was zu flattern gibt, und habe diesen Monat schon 3 Bücher gekauft. Ich bezahle gerne etwas an Kultur- und Medienschaffende. Aber ich empfehle auch sehr gerne Inhalte über Twitter, und mein RSS-Reader, der mir genau die Inhalte liefert, die ich interessant finde, finde ich genial. Ich denke aber nicht, dass ich mich deswegen in irgendeiner Weise schuldig fühlen sollte.
David > Doch, meine Argumentation ist die einzig richtige. Das Propagieren von Diebstahl ist moralisch falsch. Weil der Diebstahl mich direkt schädigt. Kriminelles Verhalten ist verwerflich, darüber muss man gar nicht diskutieren.
AntwortenLöschen«Es gibt auch gute Gründe für eine Schwächung des Urheberrechts»: Nur, wenn man kriminelles Verhalten befürwortet.
«Ausserdem krankt der Journalismus nicht an unauthorisierten Kopien. Die Verlage stellen das Zeug selber gratis online»: Der Content-Klau ist das eine Problem, das Gratis-Angebot ist das zweite Problem.
«Ich denke wirklich, dass der Wert von Linkempfehlungen höher ist als als der Verkaufspreis einer Zeitung»: Bullshit. Quatsch. Nonsense. Denkfehler. Von einer «Empfehlung» kann ich mir kein Brot kaufen. Ich will Geld für meine Leistung!
«Ausserdem wären die Zeitungen auch in einer Finanzierungskrise, wenn keine von ihnen Inhalte ins Netz stellen würde»: Das weiss ich schon, ich bin ja nicht blöd, aber das ändert nichts daran, dass Content-Klau eine Sauerei ist.
«Dass die Indianer nicht verstehen konnten, dass man Boden besitzen kann – war das auch ein "Denkfehler"»: Nein, natürlich nicht. Ich bin für den Sozialismus.
«Ich bezahle gerne etwas an Kultur- und Medienschaffende»: Dann verstehe ich nicht, warum Du hier so verbissen gegen das Urheberrecht wetterst. Das Problem sind nicht die Leute, die ein Abo haben UND twittern, sondern die Leute, die kein Abo haben und nur geklauten Content reinziehen.
Noch einmal - meine Sympathien sind bei den Kulturschaffenden und JournalistInnen. Aber mich stört diese Metaphorik: Diebstahl und Kopieren sind nicht dasselbe. Wenn die Juwelen gestohlen werden, sind sie weg - wenn ich deinen Blogpost kopiere, ist er noch da. Natürlich dürfen alle MarktteilnehmerInnen das Geschäftsmodell ihrer Wahl verwenden - darum geht es mir gar nicht.
AntwortenLöschenSondern um die einfache Frage: Mit welchem Recht verbiete ich jemanden, einen Gedanken, einen Ausdruck, eine Tonfolge etc. zu kopieren? Und ich wollte nur deshalb das Geschäftsmodell beiseite lassen, weil die Antwort »weil ich dann mehr Geld verdienen würde damit« m.E. keine gute Antwort ist. Es gibt viele legale Dinge, die mich daran hindern, mehr Geld zu verdienen (oder überhaupt mit etwas Geld zu verdienen).
Eine weitere Antwort, die mir ungünstig scheint, ist der Verweis darauf, dass der Urheber halt nicht will, dass seine geistigen Produkte kopiert werden. Wenn er das nicht wollte, dann sollte er sie nicht einem Verlag verkaufen - weil der Verlag, wie David schon erwähnt hat, alles dafür tut, dass diese Produkte kopiert werden.
Deine Position, Bobby, läuft für mich darauf raus, dass Kopieren schon okay ist, so lange es so abläuft, wie du es dir vorgestellt hast. Und ich kann diese Position verstehen - aber es ist keine kohärente Haltung in Bezug auf das Problem des Kopierens.
"Das Problem sind nicht die Leute, die ein Abo haben UND twittern, sondern die Leute, die kein Abo haben und nur geklauten Content reinziehen."
AntwortenLöschenDas Problem sind die Leute, die mir den Zugang zu interessanten Dingen erschweren. Die interessantesten Dinge stehen halt häufig nicht gerade in der Zeitung, die ich gekauft habe. Ich kann ja nicht den ganzen Kiosk aufkaufen, um die Leckerbissen zu finden. Und darum kann ich für die Leckerbissen, für die ich gerne zahle, nichts zahlen, wenn sie hinter Paywalls versteckt werden. Dort finde ich sie nicht.
Und ich finde auch keine tolle Musik, wenn sie mir niemand zum Beispiel auf Youtube empfehlen und ich nicht reinhören kann.
Und ja, interessant, dass es neben dem Papst noch jemanden anderen gibt, der die absolute Wahrheit kennt. Der Papst weiss, dass Kondome böse und Exorzismus gut ist, und der Bobby weiss, dass Kopieren böse und Eigentum an Formulierungen gut ist, Eigentum an Boden hingegen wieder böse.
Und alle, die das nicht so sehen, sind Dogmatiker mit Denkfehlern, Opfer einer Gehirnwäsche.
Wird hier Wasser gepredigt? Familie Trüb gab also Konzerte bis nach Montreux hinunter - haben sie gratis gespielt? Haben Sie ihre Lieder nicht bei der Suisa angemeldet und danach pro Konzert zusätzlich die Urheberrechtsgebühren kassiert? Und darf ich nun bei Blogwerk alles rauskopieren? Nicht dass ich das wollte, was soll ich auch damit, aber wieso steht dort (c)2006-2010 Blogwerk AG?
AntwortenLöschenWenn ich dann als Musiker so abschätzige Abqualifizierungen eines Songs als 'eine Tonfolge' lese, dann schmunzle ich, um nicht wütend zu werden.
Das Jammern um Paywalls hat etwas schräges. Es ist doch jedem unbenommen, seine Waren zu verpacken wie er will. Man muss sie ja nicht kaufen. Und dann sich zu beschweren, dann verpasse man die Leckerbissen? Krokodilstränen sind das, denn der Leckerbissen, die man nicht verpasst, gibt es schon genug, und es ist eher fehlende Zeit das Problem. Man muss sie ja dann auch essen können... Man nennt sowas Rosinenpickerei, und mit diesem Argument kann man auch den teilweisen Verkauf eines Artikels zu einem anteilmässig berechneten Preis fordern. Oder nur den Refrain eines Songs.
Die Diskussion hier erlaubt leider kein positives Urteil über die Gratisbefürworter - wenn das die einzigen Argumente sind, dann sieht's nicht gut aus für sie.
@Hotcha: Natürlich darf jeder eine Paywall aufziehen. Nur denke ich nicht, dass das eine wirtschaftlich funktionierende Strategie ist, da damit auch Wert verloren geht. Ich bezahle gerne für die Rosinen, die ich picke. Und Empfehlungen sind eben gerade eine Zeitersparnis.
AntwortenLöschenUnd: niemand fordert, dass Konzerte gratis sein müssen. Konzerte sind ein knappes Gut, daher funktioniert dort die Vermarktung. Es ist ja auch so, dass die Musiker in den letzten zehn Jahren ihr Einkommen gesteigert haben, insbesondere, weil die Leute das Geld, das sie früher für CDs ausgegeben haben, heute für Konzerte ausgeben. Nur die Labels haben verloren.
Ich möchte schnell betonen, dass ich hier meine persönliche Meinung und nicht die von Blogwerk vertrete. Blogwerk ist nicht meine Firma, ich bin dort ad interim als Geschäftsführer tätig, was auch von Anfang an so kommuniziert wurde.
AntwortenLöschenDen Unterschieden zwischen einem Konzert und einem Digitalisat hat David hier schon angesprochen, dem ist von mir nichts mehr beizufügen.
Mir ist wichtig noch einmal folgendes hervorzuheben.
Ich habe nie gefordert, dass Kulturschaffende und Journalisten gratis arbeiten müssen, doch die Welt verändert sich nun mal. Die Fotografie hat Tausenden von Portraitmalern den Job gekostet. Der Buchdruck hat die klösterlichen Kopisten um ihre Existenzgrundlage gebracht. Mit der Lokomotive und dem Automobil sind die Kutscher und mit ihnen viele andere Berufe verloren gegangen.
Solche technologischen Veränderungen verändern die Prozesse und auch das Internet verändert die Prozesse der kulturellen Produktion.
Darauf kann man entweder progressiv oder strukturkonservativ reagieren. Die Geschichte hat gezeigt, dass die Strukturkonservativen in der Regel verlieren, weil sie die Veränderung nicht mitgestalten, sondern aufzuhalten versuchen.
Natürlich gibt es viele Fragen und Herausforderungen denen wir derzeit begegnen. Niemand hat hier einfach die beste Lösung oder die Wahrheit, sondern ein langer Prozess der Umgestaltung der Kreation, Produktion und Distribution kultureller Artefakte steht uns bevor.
Das Internet hat die Ausgangslage verändert, wie damals der Buchdruck.
Die wesentlichen Elemente der digitalen Vernetzung sind der extrem tiefe Aufwand für die Erstellung der ersten Kopie und die extrem tiefen Kosten für die Distribution der digitalen Kopien.
So wie der Buchdruck die Kopisten in den Schatten gestellt hat, wird das Internet die analoge Produktion und Distribution von Inhalten in vielen Fällen in Frage stellen.
Ich persönlich werde meine Energie und Kreativität darauf konzentrieren, wie diese Veränderung positiv genutzt werden kann und nicht, wie sie aufgehalten werden soll. Es kann sein, dass ich mich auf diesem Weg hin und wieder Irre, oder dass ich Fehler mache. Aber das ist eigentlich kein Problem. Ich stelle mich gerne der Diskussion, die gerade das Netz so hervorragend einfach ermöglicht. Derzeit geht es mir aber noch wie Hotcha, nur auf der anderen Seite. Ich bin von den Argumenten der Bewahrer bisher nicht überzeugt worden.
Sehr erfreulich, wie sich die Diskussion entwickelt hat, vor allem dank Hotchas intelligentem Beitrag. «Darf ich nun bei Blogwerk alles rauskopieren» … «Wieso steht dort (c)2006-2010 Blogwerk AG»: das sind die zwei besten Fragen, die mir nicht selber in den Sinn gekommen sind.
AntwortenLöschenPhilippe > «Wenn die Juwelen gestohlen werden, sind sie weg - wenn ich deinen Blogpost kopiere, ist er noch da»: Hier ist sie wieder, die vermaledeite Verachtung der geistigen Arbeit. Nur weil ich etwas nicht mit Händen greifen kann, soll es nichts wert sein? Diesen stumpfsinnigen Steinzeit-Materialismus werde ich immer leidenschaftlich bekämpfen.
«Mit welchem Recht verbiete ich jemanden, einen Gedanken, einen Ausdruck, eine Tonfolge etc. zu kopieren»: Ich verbiete es, weil ich viel harte Arbeit dafür verwendet habe. Für meine harte Arbeit will ich einen fairen Lohn. Deshalb verbiete ich Dir das Klauen meiner Arbeit. Genau so wie der Juwelier.
David > «Ich kann für die Leckerbissen, für die ich gerne zahle, nichts zahlen, wenn sie hinter Paywalls versteckt werden. Dort finde ich sie nicht»: Dieses alberne Gejammer kann ich nicht ernst nehmen. Ich konnte viele Leckerbissen finden, bevor es das Internet gab. Seit es das Internet gibt, habe ich mehr herausgefunden über die Leckerbissen, die ich schon kannte. Aber ich habe kaum neue Leckerbissen gefunden, die ich ohne das Internet nicht hätte finden können.
AntwortenLöschen«Ich finde auch keine tolle Musik, wenn sie mir niemand zum Beispiel auf Youtube empfehlen und ich nicht reinhören kann»: Pobrecito. Schon mal was von Radios oder Plattenläden gehört?
«Und alle, die das nicht so sehen, sind Dogmatiker mit Denkfehlern»: Du sagst es.
«Die Leute geben das Geld, das sie früher für CDs ausgegeben haben, heute für Konzerte aus»: Was für ein Quatsch. Die Leute gehen heute nicht häufiger an Konzerte als früher.
"Die Leute gehen heute nicht häufiger an Konzerte als früher."
AntwortenLöschenStimmt, und die Konzertpreise sind auch gleich geblieben.
Zeig mir bitte eine Studie, die nachweist, dass Musiker (nicht: die Labels) heute weniger verdienen als vor 10 Jahren.
"Aber ich habe kaum neue Leckerbissen gefunden, die ich ohne das Internet nicht hätte finden können."
Na klar, wenn man auf eine Zeitungsredaktion arbeitet, hat man natürlich Zugang zu vielen Leckerbissen. Aber ein Normalbürger kann sich kaum mehr als eine Tageszeitung leisten.
David > «Zeig mir bitte eine Studie, die nachweist, dass Musiker heute weniger verdienen als vor 10 Jahren»: Zeig du mir zuerst eine Studie, die das Gegenteil beweist. Im Ernst: Das Problem ist heute vor allem die miese Situation beim Journalismus. Hunderte von Kollegen haben ihre spannende Arbeit verloren, nicht nur, aber auch dank den Content-Dieben. Es ist auch schade um die vielen schönen Plattenläden, die dicht machen mussten. Viel wird zerstört durch den Content-Klau, und was hast du davon? Du kannst alles zuhause auf Knopfdruck gratis runterladen. Als Folge davon kriegst du einen Herzinfarkt, weil du nicht mehr aus dem Haus gehst.
AntwortenLöschen«Wenn man auf eine Zeitungsredaktion arbeitet, hat man natürlich Zugang zu vielen Leckerbissen»: Bullshit. Alles selbst gesucht und selbst gekauft. Bei Buzz, dem freundlichsten Plattenhändler der Stadt.
«Ein Normalbürger kann sich kaum mehr als eine Tageszeitung leisten»: Du Armer. Für was verschwendest du denn deinen Lohn? Für Bordellbesuche, oder kaufst du dir jedes Jahr das neue Eiphone? Ich geb dir einen heissen Tipp: In der Pestalozzi-Bibliothek kannst du sämtliche Zeitungen und viele Zeitschriften lesen – ohne einen Rappen dafür zu zahlen.
Andy von Gunten > «Mit der Lokomotive sind die Kutscher verloren gegangen»: Diesen Vergleich habe ich auch schon gehört, und er hat mich schon beim ersten Mal nicht überzeugt. Das Internet verändert die Verteilung von Informationen nicht grundlegend. Es wird nur alles gebündelt auf dem Bildschirm serviert. Die Gesellschaft hat davon keinen grossen Vorteil. Es geht alles ein bisschen schneller, das ist wahr. Aber es geht auch viel verloren dabei. Wenn es weniger Plattenläden gibt, kann man das notfalls verschmerzen. Aber wenn der Journalismus abstirbt, sind die Folgen für die Gesellschaft katastrophal. Es gibt keinen Ersatz für Journalismus. Insofern müsste man das Internet eher mit der Atomkraft vergleichen. Das schädigende Potential ist ähnlich gross.
AntwortenLöschen«Darauf kann man progressiv oder strukturkonservativ reagieren»: Progressiv klingt gut. Aber wo genau liegt der Fortschritt, wenn die Zeitungen immer schlechter werden, weil sie nicht mehr genügend Mittel erhalten, um seriös zu arbeiten? Blogs sind kein Ersatz für Journalismus.
«Die Geschichte hat gezeigt, dass die Strukturkonservativen verlieren»: Klingt auch gut. Aber wenn «Veränderung» bedeutet, dass die Welt nicht mehr mit seriösen Informationen (wie sie Zeitungen enthalten) versorgt wird und stattdessen mit Gerüchten (aus dem Internet) überflutet wird, läuft die Entwicklung in die katastrophal falsche Richtung.
«Das Internet hat die Ausgangslage verändert, wie damals der Buchdruck»: Das stimmt nicht. Vor dem Buchdruck waren Bücher für die meisten Leute absolut unerschwinglich. Das Internet hingegen liefert nichts, was es nicht vorher schon gegeben hätte. Es beschleunigt nur alles. Social Media ist auch nichts Neues, es gab schon vor dem Internet Social Media in Form von CB-Funk, Telefon-Plauderboxen usw. Oder die Partnersuche im Internet – ein Witz. Paare, die sich im Internet kennen gelernt haben, erkennst du daran, dass sie nicht zusammen passen.
«Die wesentlichen Elemente der digitalen Vernetzung sind der extrem tiefe Aufwand für die Erstellung der ersten Kopie und die extrem tiefen Kosten für die Distribution der digitalen Kopien»: Quatsch mit Sosse. Der Aufwand fürs Schreiben eines Artikels ist genau gleich gross wie vorher. Sparen kann man nur die Kosten für Druck und Versand. Dafür werden dem Konsumenten die Kosten für Hardware, Software und Druckertinte aufgebürdet. Unter dem Strich wird nichts billiger, sondern eher massiv teurer, jedenfalls für die Konsumenten. Und die Umweltbelastung steigt auch massiv.
"Hunderte von Kollegen haben ihre spannende Arbeit verloren, nicht nur, aber auch dank den Content-Dieben."
AntwortenLöschenWo wird denn im grossen Stil journalistische Arbeit raubmordkopiert? Wo, bitte sehr? Ist ja gar nicht nötig, wenn alle Verlage das Zeug gratis ins Netz stellen. Niemand veröffentlicht Weltwoche- oder SonntagsZeitungs-Artikel schwarz. Man zitiert höchstens etwas ausführlich in Blogs aus Artikeln, die sowieso schon gratis ins Netz gestellt wurden. Glaubst du wirklich, dass deswegen Jobs verloren gehen? Und komm nicht mit Google – auch den Googlebot lassen die Verlage freiwillig ihre Seiten indizieren.
"Als Folge davon kriegst du einen Herzinfarkt, weil du nicht mehr aus dem Haus gehst."
Ich mach mir eher um deine Gesundheit sorgen, so verzweifelt wie du sein musst.
"Alles selbst gesucht und selbst gekauft. Bei Buzz, dem freundlichsten Plattenhändler der Stadt."
Ach so, ich sprach eigentlich von journalistischen Leckebissen. Diese verpasse ich ungern. Darum möchte ich, dass diese zugänglich und verlinkbar gemacht werden.
"Ich geb dir einen heissen Tipp: In der Pestalozzi-Bibliothek kannst du sämtliche Zeitungen und viele Zeitschriften lesen – ohne einen Rappen dafür zu zahlen."
Die Winterthurer Stadtbibliothek wäre eher in meiner Reichweite. Leider arbeite ich meistens, wenn sie offen ist. Und der Journalist hat auch herzlich wenig davon, wenn ich sie in der Biblithek gratis lese statt im Internet.
Hier übrigens meine Ideen für die Rettung des Journalismus ins neue Zeitalter: http://substanz.skroll.ch/?p=1487
«Ich mach mir eher um deine Gesundheit sorgen, so verzweifelt wie du sein musst»: Ich bin nicht verzweifelt. Aber ich schaue nicht kommentarlos zu, wie David, Andy von Gunten und Co. dauernd das Loblied des Content-Klauens singen. Dagegen kämpfe ich. Das ist gut für meine Gesundheit.
AntwortenLöschen«Darum möchte ich, dass diese zugänglich und verlinkbar gemacht werden»: Eben. Und dem sag ich Content-Klau. Es gibt nur eine Lösung: Das Gratis-Angebot muss sofort aufhören. Ob du Content aktiv klaust oder ob die Verlage ihn verschenken, ist mir egal. Beides ist falsch. Und beides führt dazu, dass immer mehr Journalisten arbeitslos werden.
«http://substanz.skroll.ch/?p=1487»: Kommentar: das ist völlig verblendeter, sektiererischer, internet-fetischistischer Bullshit. «Die SRG sollte alle ihre Sender schliessen und die Distribution dem Internet und dem freien Markt überlassen»... «Text, Bild, Ton, Film und interaktive Visualisierung sind gleichwertige Basismedien mit je eigenem Einsatzbereich»: Mir kommt das kalte Kotzen, wenn ich das lese. Ich will eine gute Zeitung auf Papier, keine «interaktive Visualisierung». Basta.
Und wenn du eine gute alte Zeitung auf Papier in Zukunft finanziert haben willst, sollte man die Gelder von Geführenzahlern, die heute für Sportübertragungsrechte und Unterhaltungsshows verwendet werden, eben für unabhängige Redaktionen einsetzen, die Zeitungen und andere Kanäle mit gutem Journalismus versorgen, den die Zeitungen aufgrund der veränderten wirtschaftlichen Voraussetzungen selbst nicht mehr finanzieren können. (Sorry für den Schlangensatz.)
AntwortenLöschenDas wäre zukunftgerichtete Gestaltung, statt so absurde planwirtschaftliche Dinge wie «Elimination von Gratisangeboten in Print und online» (Imhof) zu fordern.
David > Gebühren für Zeitungen sind eine gute Idee, entbinden uns aber nicht von der Notwendigkeit, das Gratisangebot zu eliminieren. Denn das Gratisangebot ist ein Grund dafür, dass es den Zeitungen mies geht.
AntwortenLöschenIch sage: Gebüren (oder besser Steuergelder) für unabhängige Redaktionen, die unter anderem Zeitungen, aber auch elektronische Medien aller Art mit gutem Journalismus versorgen können. Ich sage nicht: Gebüren für Zeitungen. Das wäre sinnlose Strukturerhaltung.
AntwortenLöschenElimination der Gratisangebote ist ohne einen ungeheuren Eingriff in die Meinungs- und Medienfreiheit nicht möglich. Sowas ist in der Schweiz zum Glück undenkbar, also hör auf zu träumen.
«Ich sage nicht: Gebühren für Zeitungen. Das wäre sinnlose Strukturerhaltung»: Stimmt nicht. Es ist sinnvoll, gute Strukturen zu erhalten. Neue Strukturen sind nicht besser, nur weil sie neu sind.
AntwortenLöschen«Elimination der Gratisangebote ist ohne einen ungeheuren Eingriff in die Meinungs- und Medienfreiheit nicht möglich»: Was für ein Quatsch. Die Meinungsfreiheit wurde nicht grösser seit der Erfindung der Gratiszeitungen. Das Gegenteil ist der Fall: Das Gratisangebot trägt dazu bei, dass die Qualitätszeitungen immer schlechter werden. Das Gratisangebot bedroht die Meinungsfreiheit. Die Freiheit, Qualitätszeitungen herauszugeben, ist wichtiger als die Freiheit, Gratis-Seich zu verbreiten.
Musik und Newsbranche laufen hier tatsächlich Parallel. Mit dem Unterschied das es MP3 player schon seit 15 Jahren in den Mainstream geschaft haben. Nook und Kindle und ferner Ipad ist erst in Amerika im aufstieg. Heute ist ein Abo für Digitalzeitungen via Kindle nur geringfügig billiger als das Printmedium wenn überhaupt. Bei ebooks sieht es nochmals ein Stück schlimmer aus. Wärend ein Gebundener Bestseller 12 US$ kostet schlägt das ebook (eine oftmals uneditierte 1. Auflage des Buches) mit 30 US$ oder mehr zur Kasse.
AntwortenLöschenDie Unibibliothek führt über 50 Magazine und Zeitungen; darunter die Weltwoche, Focus, Stadtzeitung etc etc... für eine Zeitschrift mit 80 seiten brauche ich knapp 15 Minuten mit meinem Handscanner, meistens aber weniger da ich auch nur das bearbeite was mich interessiert. Wenn ich die Zeitung/Zeitschrift kaufe habe ich diese Wahl nicht und gleichzeitig rette ich mit meinem Kindle den lieben Baum wohlgemerkt.
Ich denke wer nicht mit der Zeit geht der muss sich dan 15 Jahre später nicht wundern wenn 1 song bei Itunes 10 cents kostet.
Die Musikbranche hat es überlebt... und wie die Musikbranche das Radio überwunden haben, hat die Zeitungsbranche den Fernseher überlebt, und der Film den Videorecorder, und das Digitale Fernsehen den Tivo. Alles nur eine Frage der Anpassung